Tanguera – Tango-Musical auf der Durchreise
Hafenstimmung, Arbeiter gehen in wildem Treiben ihrer Tätigkeit nach, Menschen der verschiedensten Schichten kreuzen ihre Wege und dann plötzlich – helle Aufregung bei den Hafenarbeitern, denn ein Passagierschiff legt an. Eine Gruppe von Einwanderern verlässt neugierig das Schiff und beschnuppert die neue Heimat.
Darunter ein hübsches Mädchen, das nicht zu wissen scheint, wohin mit sich. Und dann geschieht sie, die schicksalhafte Begegnung mit ihrer großen Liebe. Denn einer der Hafenarbeiter hat sich schnell in sie verguckt. Neugierig betrachten sich die beiden und man spürt sofort, dass es sich um die bekannte Liebe auf den ersten Blick handelt. Und plötzlich tanzen alle Tango.
Diese Szenerie beschreibt in etwa den Beginn des Tanz-Musicals „Tanguera“, welches zurzeit in der Hamburgischen Staatsoper Halt macht. Noch bis Sonntag, den 24. August 2014 kann man sich 1 ½ Stunden leidenschaftliches Tango-Spektakel mitten in der Hamburger City ansehen. Ein Besuch, der es wert ist und der sicherlich in Erinnerung bleibt. Denn was „Tanguera“, eine argentinische Gruppe aus Buenos Aires, da auf die Bühne bringt, ist nichts anderes, als beste Abendunterhaltung. Innerhalb weniger Minuten wird der Zuschauer in eine Welt des frühen 20. Jahrhunderts entführt.
Eine sehr stimmige und stimmungsvolle Welt. Das liegt nicht nur an den tollen Requisiten und Kostümen, sondern auch am tänzerischen und schauspielerischen Können der Musical-Darsteller. Dabei ist erwähnenswert, dass die Erzählweise erfrischend anders ist. Die gesamte Story, die sich nach und nach als lateinamerikanische Variation des „Romeo und Julia“-Stoffes herauskristallisiert, wird nämlich nahezu ausschließlich über die Choreografien und die Mimik erzählt. Dialoge gibt es kaum. Zwischendurch fungiert eine Sängerin in der Erzählerrolle – auf Spanisch selbstverständlich, aber Verständnisprobleme tauchen dabei nicht auf. Ihr Gesang ist genau, wie die tänzerischen Darbietungen grandios.
Nun geht es zu dem, was dieses Musical ausmacht. Den Tango erlebt man hier in all seinen schönen Facetten. Wichtig ist natürlich, dass man auch als Tanzlaie vollkommen naiv dieses Musical genießen kann. Dazu trägt die perfekt abgestimmte Livemusik ebenso bei wie eine passend inszenierte Lichtshow. Aber Tanzfans kommen hier besonders auf ihre Kosten. Denn die Feinheiten, die in den Choreografien ausgearbeitet wurden, die verschiedenen Stile, vom „Tango argentino“ bis zum „Queer Tango“, die Molinetas, Cruzadas, Caminatas, Ganchos, Ochos und und und… Der Zuschauer sollte meinen, dass sich die Beine der Tanzpaare bei den schnellen Schrittfolgen und Drehungen doch verknoten müssten. Aber jeder Schritt sitzt.
Und mit ein bisschen Sachverstand kann man sich auch noch freuen, Basic-Schritte aus den letzten Tanzstunden wiederzuerkennen. Ja, die Basic-Schritte. Das Element, das dem Tanzen seine scheinbare optische Leichtigkeit verleiht, obwohl diese meist noch schwerer zu Tanzen sind, als spektakuläre Hebefiguren. Und in der Hinsicht hat das Musical den goldenen Mix getroffen. Man kann sich beim Betrachten der Show nicht von dem Gedanken lösen, dass der Tango in seiner Vielfalt der beste Gesellschaftstanz sein muss. Man bekommt gar Lust, selber den nächsten Tanzkurs zu belegen.
Wem es also noch in den Terminkalender passt, der sollte in Erwägung ziehen, nochmal einen Ausflug in die Staatsoper zu machen, zu „Tanguera“. Olé!