Messa da Requiem
Verdis Totenmesse wird in der Staatsoper Hamburg aufgeführt
Weniger Operntheater denn liturgische Messe wird Giuseppe Verdis Requiem oft ironisch als seine „beste Oper“ bezeichnet. In der Hamburger Staatsoper feierte das im musikalischen Sinne romantische Werk des italienischen Komponisten am 10. März 2020 die erste von drei Wiederaufführungen. Der Inszenierung nahm sich der spanische Opernregisseur Calixto Bieito an, der mit seinen provokanten Arbeiten als enfant terrible der Szene gilt. Bieito gelang mit modernen und einfachen Kniffen eine kurzweilige und beeindruckende Aufführung.
Giuseppe Verdi schrieb die Messe zum Ausdruck seiner Trauer
Ursprünglich hatte Verdi seine katholische Totenmesse dem verstorbenen und von ihm verehrten Opernkomponisten Gioachino Rossini widmen wollen. Die Uraufführung der „Messa da Rossini“ scheiterte jedoch 1869, das Werk geriet für einige Jahre in Vergessenheit. Als 1873 der Dichter Alessandro Manzoni starb, griff Verdi sein Requiem wieder auf. Ein Jahr später wurde die Totenmesse in der Kirche San Marco zu Mailand uraufgeführt und ist seitdem ein gefeiertes und immer wieder neu inszeniertes Werk aus dem späten Schaffen Verdis.
Die inhaltliche Erzählung steht in diesem Requiem nicht im Vordergrund. Intrigen und Romanzen, die man vielleicht von Opern erwartet, gibt es hier nicht. In seiner Messe wollte Verdi der Wahrhaftigkeit auf den Grund gehen und eine Geschichte erzählen, die jeden Menschen jeder Gesellschaftsschicht irgendwann betrifft. Das Sterben und alles, was dazu gehört: der Abschied, die Verlustängste, die Trauer, die Reuegefühle, das Hoffen auf Erlösung und die Konfrontation mit den eigenen Taten.
Das Thema des Requiems ist zeitlos
So wurde auch ein Querschnitt durch die Gesellschaft auf der Bühne der Hamburger Staatsoper abgebildet. Die Kostümdesignerin Anja Rabes ließ sowohl die Solisten als auch den Chor in bunter Alltagsbekleidung auftreten. Die Wahl der Kleidungsstücke fiel dabei bewusst überwiegend bieder aus. Zeitweise stellte der Chor in eindringlicher Weise das gläubige Spießbürgertum dar, welches sich über die – um den verstorbenen Sohn trauernde – Sopranistin ereiferte, um von der eigenen Fehlbarkeit abzulenken.
In heutigen Zeiten, in denen – insbesondere im Internet – erschreckend schnell losgepöbelt und gehetzt wird, ist diese Art der Inszenierung sehr aktuell und weltlich, was sich mit dem modernen Bühnenbild wunderbar vertrug.
Schöner wohnen
Den großen Aufführungsraum teilte Calixto Bieito mit riesigen und verschiebbaren, kubistischen Elementen ein. Diese erinnerten in der Optik an überdimensionierte Kallax-Regale – Kenner des schwedischen Möbelhauses werden ein Bild vor Augen haben. Mit fünf oder sechs dieser Raumteiler unterstützte der Regisseur den Inhalt und die Wirkung der Texte, welche in der Messe gesungen werden. Während die Ehrfurcht vor dem Allmächtigen besungen wurde, baute sich die Kulisse vor dem Publikum wie eine erschlagende Urgewalt auf. Als die Sopranistin wie eine Ausgestoßene herumirrte, ging sie zwischen den Elementen wie durch eine Schlucht. Und als das Ensemble zum Himmel herauffuhr, öffnete sich eindrücklich die Himmelspforte, indem eines der Riesen-Regale gekippt wurde, bis es flach auf dem Boden lag.
Klingt zunächst banal, die Wirkung der kargen Szenerie war aber sehr stark. Während in klassischen Operninszenierungen die Akteure sich in den Kulissen umher bewegen, waren die Sänger in dieser Inszenierung recht statisch verhaftet. Stattdessen bewegte sich ihre Umgebung um sie herum. Zusätzlich wurde geschickt mit Licht und Schatten gespielt. Auf die Zuschauer hatte das eine geradezu sogartige Wirkung. Dafür gebührt dem Regisseur Bieito und der Bühnenbildnerin Susanne Gschwender ein großes Kompliment.
Sänger und Orchester durchweg überzeugend
Ebenfalls zu würdigen sind die Leistungen aller Sänger und Darsteller, die knapp anderthalb Stunden ohne Pause durchspielten und dabei in den schwierigsten Körperpositionen und Verwringungen mit klaren und melodiösen Stimmen glänzten. Alle Darsteller inklusive der Kinder auf der Bühne nahmen durchgehend Teil an der Inszenierung und blieben in ihren Rollen – bei einer Aufführung in Alltagsbekleidung, gerade mit Kindern im Ensemble, ist das nicht selbstverständlich. Sopranistin Maria Bengtsson und Bass Tareq Nazmi verkörperten großartig das trauernde Elternpar, welches am Tod des Sohnes zerbricht. Tenor Dmytro Popov und Mezzosopranistin Katja Pieweck ergänzten die Atmosphäre mit ebenso ausdrucksstarkem Gesang und der Chor der Hamburgischen Staatsoper wurde den Anforderungen eines stimmgewaltigen Requiems mehr als gerecht.
Die Begleitung durch das Philharmonische Staatsorchester Hamburg war schwungvoll und variabel – mal federleicht und flehend, mal bombastisch und donnernd. Dabei harmonisierten die Musiker in der Lautstärke perfekt mit den Sängern, niemand ging in der guten Akustik der Hamburger Staatsoper verloren.
Eine wahre Freude, die vom Publikum mit ausdauerndem Applaus und Rufen der Begeisterung gewürdigt wurde!
Nochmals aufgeführt wird diese Inszenierung am Freitag, den 13.03.2020 sowie am Donnerstag, den 19.03.2020 – jeweils um 19:30 Uhr. Für beide Termine gibt es noch Karten – vorausgesetzt, die grassierende der Aufregung um den Corona-Virus macht der Staatsoper keinen Strich durch die Rechnung.
Offizieller Trailer vom Youtube-Kanal der Hamburgischen Staatsoper:
Foto: ©Brinkhoff/Mögenburg