Großer Besucherandrang bei ELBJAZZ 2019
ELBJAZZ- Start mit „jazzigen“ Reden, einem Antrag für einen großen Jazzpreis, trockenen Füßen und viel Musik
Mit dem Eröffnungs-Gottesdienst im Michel und einer launigen Rede des Kultursenators Dr. Carsten Brosda ging gestern das ELBJAAZ 2019 an den Start. Lou Reed sagte einmal, wenn ein Song mehr als drei Akkorde hat, sei das Jazz. Aber was ist denn nun „Jazz“? Eine „jazzige“ Rede des Kultursenators, ein „jazziger“ Antrag auf einen Kostenzuschuss für einen internationalen Jazzpreis – scheint in jedem Fall viel mit Kommunikation und Improvisation zu tun zu haben. Ach ja, und Konzerte an einem trockenen, lauen Frühlingsabend gab es auch noch….
So, es scheinen also wieder Pläne für einen großen Jazzpreis zu geben , nachdem sich der ECHO Jazz in Luft aufgelöst hat. Anträge für Bundesmittel sind, wenn man die Worte des Geschäftsführers Alexander Schulz interpretiert, gestellt. Carsten Brosda, schien auch nicht abgeneigt, auch noch von der Kulturbehörde her das Projekt zu fördern, wenn bundesweite Mittel „eingetütet“ sind und es denn einen offiziellen Antrag gäbe. Spannend, lassen wir uns überraschen. Konzertveranstalter Karsten Jahnke gab noch seine persönlichen Favoriten für das ELBJAZZ 2019 bekannt.
Der große Traum Elbphilharmonie – In Memory of Wolfgang Schlüter
Den musikalischen Teil eröffneten Joja Wendt mit genreübergreifenden Piano-Arrangements. Den Auftakt im Großen Saal der Elbphilharmonie machte ein Gedenkkonzert an den kürzlich verstorbenen Vibraphonisten Wolfgang Schlüter. Die Uraufführung seines letzten Albums FOR YOU hätte er gern selber vorgenommen. Nun war es soweit. Bei dem großen Moment könnte er nun leider nicht anwesend sein – jedenfalls nicht körperlich. Die nachfolgenden Konzerte im Großen Saall bestritten Melanie de Biasio und Kit Downes.
Julia Hülsmann und die „Frauenquote“
Inzwischen brachte Altin Gün auf der Bühne Am Helgen mit „Turkish Psych Folk from Amsterdam“ Schwung in die Hüften. Julia Hülsmann hatte eigens für die Hauptbühne bei Blohm ÷ Voss aus einem Piano-Trio und einem klassischen Jazz Trio ergänzt durch ein Sänger-Duo das Julia Hülsmann Octet zusammengestellt. Mit Ausnahme des Sängers Michael Schiefel brachte die Combo – bestehend aus Aline Frazão [voc], Maria Roggen [voc], Susanne Paul [cello], Héloïse Lefebvre [violine], Eva Kruse [bass] und Eva Klesse [drums] – fast allein die „Frauenquote“ auf die 27 Prozent beim ELBJAZZ 2019, was schon eine außergewöhnlich hohe Quote in diesem sonst so männerlastigen Genre ist.
Dass das nicht automatisch ein Problem sein muss, bewies Michael Schiefel in ausgedehnten Scat-Gesang-Battles mit der Drummerin Eva Klesse. Es gab keinen zweiten Sieger und alle hatten ihren Spaß.
Das Repertoire bestand zum Einen aus eigenen Songs, zum Anderen aus Arrangements anderer Komponisten wie Alanie Morissette oder den Beatles. Morgen wird Julia Hülsmann als Artist in Residence in zwei weiteren Formaten zu hören sein. Zusammen mit dem Vibraphonisten Christopher Dell tritt sie im Kleinen Saal der Elbphilharmonie auf und mit ihrem Quintett spielt sie im Großen Saal Beatles Songs.
Michael Wollny mit trockenen Füßen und blitzsauberen Turnschuhen
Während sich einige Besucher nach dem Konzert auf den Weg zur kleinen Bühne auf dem Blohm + Voss Gelände machten, um die Beine zu den Crossover-Klängen von Kamaal Williams zu bewegen, warteten andere sehnsüchtig auf Michael Wollny. Der wollte zusammen mit seinem Trio das im vergangenen Jahr „ins Wasser gefallene“ Konzert auf der Hauptbühne nachholen.
Sein Auftritt musste wegen eines plötzlichen Gewitter-Gusses abgesagt werden. Ich selber bin damals, anstatt auszusteigen, auf der Shuttle-Fähre geblieben, bis sich der Regen verzogen hatte. Wer sich auf dem Gelände von Blohm + Voss befunden hatte, musste die Zeit in einer eigens für das ELBJAZZ-Publikum geöffneten Werkhalle warten. Zum Lohn gab es noch Konzerte von Nils Landgren und Kamasi Washington.
Michael Wollny hatte im Anschluss an das ELBJAZZ 2018 blitzsaubere Turnschuhe und sein Kommen für das ELBJAZZ 2019 zugesagt. Zusammen mit Eric Schäfer an den Drums und Chistian Weber am Bass begeisterte der Ausnahme-Pianist und mehrfache ECHO Jazz Preisträger mit virtuos-lyrischen Kompositionen in einer trockenen, lauen Frühlingsnacht.
Große Show von Jamie Cullum
Beim Konzert von Jamie Cullum hatte sich das Werftgelände bis zum Rand gefüllt. Für die weiter hinten stehenden Besucher waren Leinwände aufgestellt, sodass niemand die große Jamie-Cullum-Show vermissen musste. Einige nutzen den wenigen freien Platz an den Rändern, um zu den mit viel Soul gespickten jazzigen Klängen des Komponisten, Pianisten und Sängers zu tanzen. Jamie Cullum nahm die Stimmung auf und gab bis nach Mitternacht eine Zugabe nach der anderen.
Die meisten Besucher blieben bis zum Schluss. So gab es am Fähranleger, am Bus-Shuttle und am Alten Elbtunnel einen großen Andrang. Jamie Cullum ist vielleicht nichts für die „Jazz-Polizei“. Aber auch das ist Jazz: Nachts um 1:30 Uhr saßen Jung und Alt aus allen Bevölkerungsgruppen in der Bahn. In der Hand ein ELBJAZZ-Programm, um die Route für den morgigen Festival-Tag auszuloten.
Fotos: © Beate Eckert-Kraft