Filmfest Hamburg endet mit „Loro“
Paolo Sorrentino nimmt die Machenschaften von Silvio Berlusconi aufs Korn
Mit der italienischen Komödie „Loro“ als Abschlussfilm ging am Wochenende das 26. Filmfest Hamburg zuende. Regisseur Paolo Sorrentino nimmt in diesem „Lust-Spiel“ um Sex und Macht die Machenschaften des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi aufs Korn, der mit seinen exzessiven „Bunga Bunga“-Partys und einer noch dubioseren Amtsführung in die Schlagzeilen geriet und trotz aller Proteste immer noch eine wichtige Rolle im politischen Leben Italiens einnimmt.
Kino-Vielfalt in 138 Filmen
Vor dem Abschlussfilm zog Festivalleiter Albert Wiederspiel eine positive Bilanz des diesjährigen Festivals, das während der 10 Tage rund 43.000 Zuschauer in die fünf teilnehmenden Kinos locken und damit einen neuen Zuschauerrekord aufstellen konnte.
Tatsächlich bot das Festival mit seinen 138 Filmen eine große Palette unterschiedlichster Genres und Themen, vom heimischen Produktionen bis zu Filmen aus aller Welt, von politisch ambitioniertem Kino bis zu Genrefilmen, von Godards Experimantalkino bis zum TV-„Tatort“, von Islands hintergründigem Öko-Aktivisten-Abenteuer „Gegen den Strom“ bis zum Hollywood-Horrorfilm „Halloween“.
Skeptisches Porträt einer US-Kleinstadt
Auch wer sich am letzten Tag nicht unbedingt mit Silvio Berlusconi beschäftigen wollte, hatte noch reichlich Auswahl: Der Dokumentarfilm „Monrovia, Indiana“ des mittlerweile 88-jährigen Regisseurs Frederick Wiseman („Ex: Libris“) beispielsweise gewährte in geradezu epischer Sorgfalt Einblicke in das Leben einer nordamerikanischen Kleinstadt. Gezeigt wird alles, was das Leben in der US-Provinz so ausmacht: vom bäuerlichen Alltag über eine engagierte, aber letztlich folgenlose Sitzung des Gemeinderats bis zu einer komplett in Ton und Bild festgehalten Trauerfeier für eine verstorbene Mitbürgerin, in deren Verlauf der Redner die Trauergemeinde davon zu überzeugen versucht, dass es sich bei dem traurigen Anlass in Wahrheit um einen Freudentag handelt. Zwei Drittel der Wähler in Monrovia sollen bei der letzten Präsidentschaftswahl für Donald Trump gestimmt haben, und besonders reizvoll erscheint „Das Land der Freien“ hier nicht. Eine Werbung für ein erfülltes Leben im Trump-Country sähe sicherlich anders aus.
Das Ende einer Ehe in den 60ern
Eine Werbung für die USA möchte auch „Wildlife“ nicht sein. Das Drama spielt zu Beginn der sechziger Jahre in Montana und ist das Regiedebüt des Schauspielers Paul Dano. Mit Jake Gyllenhaal und Carey Mulligan hochkarätig besetzt, erzählt der Film das Scheitern einer Ehe aus der Perspektive des 14-jährigen Sohnes (gespielt von Ed Oxenbould). Gedreht nach einem Roman von Richard Ford, versucht „Wildlife“ mit sorgfältiger Ausstattung die Atmosphäre der frühen 60er Jahre einzufangen und ein Stimmungsbild einer Gesellschaft zu zeichnen, in der sich eine Krise der Männer und ein steigendes Selbstbewusstsein der Frauen abzeichnet. Insgesamt aber hinkt die Dramaturgie dem dramatischen Spiel der Darsteller hinterher. „Wildlife“ präsentiert sich als ein weiteres Beispiel für einen Film, bei dem es ein Schauspieler-Regisseur zu gut meint mit der Performance seiner Kollegen und darüber die Story vernachlässigt.
„Wildlife“ soll 11. April 2019 in die deutschen Kinos kommen, „Loro“ startet bereits am 15. November.
„Monrovia, Indiana“ dagegen hat noch keinen Verleih. Nachdem er auf Festivals in Toronto, New York, London oder Venedig gezeigt wurde, feierte er in Hamburg seine Deutschlandpremiere.
Trailer „Loro“: TIFF, Toronto International Filmfestival
Trailer „Wildlife“: IFC Films
Trailer „Monrovia, Indiana“: Indie Wire
Foto „Loro“: DCM Film Distribution
Foto „Monrovia, Indiana“: Doc & Film International
Foto „Wildlife“: GEM Entertainment