Filmfest Hamburg: Douglas-Sirk-Preis für Jafar Panahi
Iranischer Filmemacher kann Preis wegen Berufs- und Ausreiseverbot nicht persönlich entgegennehmen
Das Cinemaxx am Dammtor war gestern Schauplatz einer ganz besonderen Preisverleihung. Filmfest Hamburg erkannte den diesjährigen Douglas-Sirk-Peis dem iranischen Filmemacher Jafar Panahi zu. Der Preisträger selbst konnte allerdings nicht teilnehmen. Er ist in seiner Heimat mit einem Berufs- wie auch Ausreiseverbot bedroht und stellt seine Filme seit Jahren nur noch heimlich und unter der ständigen Gefahr von Festnahme und Inhaftierung her.
In ihrer bewegenden Laudatio auf den Preisträger hob die TV-Journalistin Isabel Schayani aber nicht nur den Mut hervor, mit dem sich Panahi allen Widrigkeiten entgegenstellt und seine Filme unter abenteuerlichen Bedingungen herstellt, sondern auch die Zivilcourage, die der oppositionellen Bürgerrechtsbewegung im Iran immer neue Kraft gibt.
Standing Ovations für einen Abwesenden
Auch im Kinosaal war diese Kraft gestern spürbar, spätestens als Panahis Tochter Solmaz Panahi den Preis stellvertretend für ihren Vater in Empfang nahm, der Preisträger selbst sich mit einer Videobotschaft bedankte und sich das ganze Publikum zu Standing Ovations erhob. Ein bewegender Moment in der Geschichte des Douglas-Sirk-Preises, der Hamburgs höchstdotierter Kulturpreis ist.
Mit orientalischer Lust am Erzählen
Dass der Preis aber nicht nur für politischen Mut, sondern auch für den Filmemacher Jafar Panahi zu Recht vergeben wurde, zeigte sich bei der anschließenden Vorführung seines neuen Films „Drei Gesichter“ (Originaltitel: „se rokh“). Hatte Panahi seine letzten Filme mehr oder weniger versteckt in einem Haus oder dann auf offener Straße in „Taxi Teheran “ realisierte, zog es den Regisseur für „Drei Gesichter“ in die Provinz, in seinen eigenen Heimatort, wo er sich offenbar vor Denunziation einigermaßen sicher sein könnte. Wieder ist Panahi sein eigener Hauptdarsteller, der mit orientalischer Erzähllust in einem verschmitzten Mix aus Fiktion und realem Hintergrund eine Geschichte von drei Schauspielerinnen aus drei unterschiedlichen Generationen spinnt. Auch die drei Frauen treten in der fiktiven Handlung unter ihrem realen Namen auf.
Eine kleine Odyssee in der iranischen Provinz
Am Anfang steht ein Drama: Die prominente TV-Serien-Schauspielerin Behnaz Jafari hat eine beängstigende Videonachricht bekommen. Das junge Mädchen Marziyeh Rezaei aus einem kleinen Dorf in den Bergen hat sich selbst mit ihrem Handy dabei gefilmt, wie sie sich aus Verzweiflung darüber erhängt, dass ihr der Traumberuf Schauspielerin von der Familie untersagt wird und auch Frau Jafari ihre Hilferufe nicht beantwortet habe.
Die ist völlig durcheinander und macht sich gemeinsam mit dem Regisseur Jafar Panahi auf die Suche nach dem Mädchen. Im deren Dorf angekommen, stellt sich heraus, dass Marziyeh tatsächlich seit drei Tagen vermisst wird. Die Suche nach ihr wird zu einer kleinen Odyssee durch ein Dorfleben, das sich als lebendiges Panoptikum schräger und eigensinniger Typen präsentiert und das sich weitab von der Metropole Teheran seine Eigenheiten bewahrt hat. Auf ihrem zweitätigen Trip in diese absonderliche Bergwelt erleben die beiden Großstädter denkwürdige Begegnungen, zu denen auch das Treffen mit der vermeintlichen Selbstmörderin gehört.
Ein filmisches Kunststück
Panahi porträtiert diese Welt und ihre Menschen mit einer augenzwinkernden Distanz und einer angesichts der schwierigen Arbeitsbedingungen staunenswerten Gelassenheit, ohne sich auch nur einen Moment über einen der mitwirkenden Laien zu erheben oder lustig zu machen. Auch politisches Lamentieren oder Thesenkino – wie in manchen deutschen Produktionen – sucht man in „Drei Gesichter“ vergebens. Ein wahres Kunststück, unter der ständigen Bedrohung von Verhaftung ein solch entspanntes Verhältnis zum Geschichtenerzählen zu bewahren. Das allein ist schon jeden Filmpreis der Welt wert. Dazu kommen noch die wunderschönen Aufnahmen aus dem uns unbekannten Land, das uns eine trügerische Dorfidylle zeigt, ohne sie anzupreisen oder begehrenswert erscheinen zu lassen. Allzu verständlich ist der Wunsch des Mädchens, sich daraus zu verabschieden und in die weite Welt des Filmemachens einzutauchen. Und sogar die brutale List, mit der sie die Aufmerksamkeit des Regisseurs und der Schauspielerin auf sich zieht, wird nachvollziehbar. Alles in dieser ländlichen Welt schreit nach Veränderung. Die aber, auch das zeigt der Film, wird eher von den Frauen angestoßen als von den Männern, die in ihrer verschrobenen Welt verhaftet sind. Aber das Arbeiten fürs Kino, das weiß keiner besser als Jafar Panahi, ist jedes Wagnis wert.
„Drei Gesichter“ startet am 26. Dezember regulär in den deutschen Kinos. Ein Termin, den man sich notieren muss.
Trailer: 3 Faces Official Trailer, Madman Films
Foto: © Jafar Panahi Film Production