Filmkritik und Trailer: „Solo – A Star Wars Story“

22. Mai 2018 02:24 Michael Eckert Aktuelles,Film ,

 Ein Film nicht nur für eingefleischte Saga-Fans

Der Sternenkrieg im Kino dauert nun schon 40 Jahre, und ein Ende ist nicht abzusehen. Die „Star Wars“-Produktionsfirma Lucasfilm gehört mittlerweile zum Disney-Konzern, hat mit der Ableger-Serie „A Star Wars Story“ einen Nebenkriegsschauplatz eröffnet und erlaubt sich dort filmische Ausflüge in Historie der „Star Wars“-Helden. Diesmal geht es in die Biografie des beliebten Charakters Han Solo und seines zotteligen Begleiters Chewbacca. Mit durchaus überraschenden Einblicken.

 Rückblick auf „Krieg der Sterne“

 Eigentlich macht man so etwas nicht, und es ist auch kein guter Stil. Aber ausnahmsweise beginne ich die Rezension diesmal mit einer längeren Einleitung und mit einem – nein – mit zwei Geständnissen: 1. Ich bin kein „Star Wars“-Fan. 2. Ich bin alt genug, um einer Generation anzugehören, die den ersten „Star Wars“-Film bereits 1978 im Kino gesehen hat. Zu einer Zeit also, als er den deutschen Titel „Krieg der Sterne“ verpasst bekommen hatte und noch nicht zur „Episode IV“ degradiert worden war. Und ich war durchaus angetan von dem, was ich damals gesehen habe. Von der Optik, von der Qualität der Trickaufnahmen, von der Weite des utopischen Raumes und von der Geschwindigkeit, mit der die wendigen Raumjäger und die interstellaren Kampfschiffe ihn durchquerten. Vergleichbares hatte man noch nicht gesehen. Vor Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“, also vor dem Jahr 1968, war Science-Fiction eine Domäne des B-Kinos gewesen: preiswert hergestellte Weltraumabenteuer oder Alien-Invasionsphantasien, die den Zeitgeist des Kalten Krieges und des anbrechenden Raumfahrtzeitalters widerspiegelten – mit Schauspielern aus der zweiten Garde in billigen Studiokulissen und in charmant-dilettantisch nachgebauten Sternen- und Planetenwelten. Der Mars und seine möglichen Bewohner waren schon so ziemlich das Weiteste, was diese Filme als Utopie anboten. Ein Genre, das statisch genug war, um sich künftig seriell im Fernsehen fortzupflanzen.

 

Von Mars und Jupiter ins „Star Wars“-Universum

 Aber dann wurde alles anders. „2001“ mit der opulent gefilmten Jupiter-Mission hatte Science-Fiction salonfähig gemacht und einen Weltraum gezeigt, der sich vor allem im Kopf entfaltet und dort wie in einem LSD-Rausch alle Dimensionen von Zeit und Raum durcheinanderwirbelt. Knapp zehn Jahres später setzte George Lucas mit seinem „Star Wars“-Universum einen eigenen Märchenkosmos dagegen, in dem Mensch, Maschine und allerlei Alien-Geschöpfe ganz selbstverständlich in verschiedenen Sprachen und Tönen miteinander kommunizierten, zusammen durchs All rasten, sich zusammenrauften und natürlich – der Filmtitel forderte es bereits – bekriegten. Gut gegen Böse, Hell gegen Dunkel, Freiheit gegen Tyrannei. Mit einem Personal, das zu einem Instant-Mix aus Mythen, klassischen Sagen und Tragödien shakespearescher Prägung zusammengekocht worden war. Das funktionierte.

Vom Fantasy-Mix zum faden Gebräu

Sieben Episoden und über 40 Jahre später muss man sagen, dass sich das erzählerische Gemisch längst in einem faden Gebräu aufgelöst hat, das sein einstiges Erfolgsrezept ständig wiederholt und sich darauf beschränkt, das Universum zum Schauplatz endloser Familienzwistigkeiten zu machen, in dem keine Teller fliegen, sondern ständig ganze Planeten mitsamt ihren Bevölkerungen gesprengt werden. „Kollateralschaden“ nennen Militärs so etwas. Nicht weiter wichtig. Genauso unbedeutend sind in den Episoden VII und VIII auch die Dimensionen von Raum und Zeit. Das ist kein Kosmos mehr, den man durchreisen kann. Der Universum ist auf die Dimensionen eines Themenparks geschrumpft, wo man sich durch eine Attraktion nach der anderen kämpft; eine Level nach dem nächsten, aber immer irgendwie ähnlich, wie in einem Game. Eine Aneinanderreihung von Schauplätzen und Kampfarenen, wo jeder auftaucht, der für die Szene gerade gebraucht wird. Ohne zu erzählen, wie er dorthin gekommen ist und wie lange er dafür gebraucht hat. Er ist einfach schon rechtzeitig da. Stillstand statt Reise. Wiederholung statt Entwicklung. Ein Sternenkrieg, der auf der Stelle tritt wie ein sinnloser Grabenkampf.

Von „Game of Thrones“ zu „Star Wars“

Angesichts der Eintönigkeit der Episodenfilme bin ich mit flauem Gefühl in die neueste Erfindung der „Star Wars“-Macher gegangen; war gefasst auf weitere zweieinhalb Stunden Langeweile – und wurde dann angenehm überrascht. In „Solo – A Star Wars Story“ nehmen sich die Autoren tatsächlich Zeit, um sich ihren Charakteren zu widmen und mit einem Augenzwinkern auf die Wurzeln der Saga im 20. Jahrhundert hinzuweisen. Der junge Han Solo, gespielt von Alden Ehrenreich (bekannt aus „Hail, Caesar!“) ist ein ebenso schlagfertiger wie gerissener Hallodri, der sich mit Schmuggel und kleinen Notlügen über Wasser hält – bodenständig und ganz im Geiste des späteren Han Solo, dessen Charakter in den ersten drei „Star Wars“-Abenteuern von Harrison Ford fixiert wurde im Stile eines Indiana Jones aus den Müllgruben der Galaxis. Jetzt können „Star Wars“-Fans sehen, wie sich der raumfahrende Freibeuter als junger Draufgänger mit seinem späteren Freund und Kopiloten, dem riesigen Zotteltier Chewbacca, buchstäblich zusammenrauft. Sie werden erfahren, wie Han zu seinem Nachnamen gekommen ist – und dass er mit seiner Jugendliebe Qi’ra im Überlebenskampf im prekären intergalaktischem Sozialmilieu eine kongeniale Partnerin hat – die vom Schicksal dann allerdings auf eine ganz andere Seite verschlagen wird. Darstellerin dieser Qi’ra ist die Engländerin Emilia Clarke, die wir natürlich als Daenerys Tagaryen aus dem Serienhit „Game of Thrones“ kennen. Vielleicht ist es gerade diese Erfahrung aus einem Paralleluniversum, die die schöne Emilia so nahtlos und souverän in die Welt der „Star Wars“ eintauchen lässt – ein absoluter Gewinn. Ebenso wie die Tatsache, dass die Autoren dieses „Star Wars“-Ablegers (im TV-Jargon würde man das „Spin off“ nennen) auf adelige Thronerben und Pseudo-Ritter komplett verzichtet haben und sich dankenswerterweise auf das bodenständige Niveau von Abenteurern, Glücksrittern und Weltraumpiraten beschränken.

 Popcorn nicht vergessen!

Ein Milieu, in dem man zusammen kämpft, Spaß hat und im nächsten Moment wieder auf verschiedenen Seiten steht und aufeinander losgehen muss. Traue niemandem! Ein Szenario, das mit weiteren Charakteren stimmig aufgefüllt wird, unter anderem mit einer jungen Ausgabe des trickreichen Falschspielers Lando (gespielt vom Standup-Comedian Donald Glover) und dem verwegenen Söldner Beckett (Woody Harrelson). Tatsächlich sind das so etwas wie Charaktere – statt blasser Abziehbilder. Dazu gibt es überraschende Ausflüge in das klassische Genrekino, wie den Überfall auf einen rasenden High-Tech-Zug, der an alte Westernszenarien erinnern soll. Alles in allem eine gelungene Reminiszenz an die Ursprünge der „Star Wars“-Reihe, für die einige alte Weggefährten von Saga-Urvater George Lucas mitverantwortlich zeichnen: Regie führte Ron Howard, der schon 1973 in George Lucas erstem großem Kinoerfolg „American Graffiti“ mitspielte und seither mit ihm befreundet sein soll. Drehbuchautor Lawrence Kasdan verfasste in den frühen 80-ern die Drehbücher zum zweiten und dritten „Star Wars“-Film und holte sich jetzt seinen Sohn Jonathan als Ko-Autor an die Seite. Dieses Hinter-den-Kulissen-Ensemble aus „Star Wars“-Family & Friends serviert mit „Solo – A Star Wars Story“ einen recht vergnüglichen Kinospaß, der nicht ganz frei von Längen ist, aber um Längen besser unterhält als die brave Episoden-Lithanei. Für einen gelungenen Kinoabend schließe ich mich einer Empfehlung des Presseheftes an: Popcorn nicht vergessen!  Michael Eckert

Fotos: © 2017 Lucasfilm Ltd., All rights reserved

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