Neu im Kino: „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“
Ein Film für alle, die beim Zocken lieber zuschauen
Mollys riskantes Spiel beginnt mit einer rhetorischen Frage an uns Kinozuschauer: „Was ist das Schlimmste, das einem Sportler passieren kann?“, fragt die Protagonistin aus dem Off. Eine Niederlage in einem wichtigen Spiel? Ein vierter Platz bei den Olympischen Spielen? (Für den gebeutelten HSV-Fan möchte man noch hinzufügen: ein Abstieg in die zweite Liga?)Nein. Die frühere Skiläuferin Molly Bloom weiß es besser.
Rückblende. Von Kindesbeinen an werden sie und ihr Bruder Jeremy vom Vater Larry Bloom, ein Psychiater und Hochschulprofessor, auf Hochleistungssport gedrillt. Molly kämpft aussichtsreich um einen Platz im Ski-Olympiateam der USA für die Spiele 2002 in Salt Lake City. Aber dann verunglückt sie während der Vorausscheidungen beim Freestyle-Skiing schwer. Schluss, aus, Karriere beendet. Und die ach so sicher geglaubte Lebensplanung – erst sportlicher Ruhm mit Olympiasieg, dann Jura-Studium, Anwaltslaufbahn – komplett im Eimer. Was tun? Das Studium vorziehen?
Molly Bloom, deren Name übrigens identisch ist mit einem Charakter aus dem epochalen „Ulysses“-Roman von James Joyce, geht nach Los Angeles, jobbt in einer Cocktailbar – und gerät in einen exklusiven Zirkel superreicher Wirtschaftsmagnaten, Sport- und Hollywoodgrößen, die sich ihre Nächte mit hochpreisigem Pokern in speziell angemieteten Hotelzimmern um die Ohren schlagen (darunter sollen damals laut englischsprachiger Wikipedia auch Stars wie Leonardo DiCaprio, Ben Affleck und Macauly Culkin gewesen sein).
Für Molly Bloom ist es der Einstieg in eine elitäre Spielerszene, in der am Rande der Legalität mit Einsätzen in schwindelerregender Höhe gezockt wird. Molly ist intelligent, ehrgeizig und attraktiv genug, sich in der Szene als führende Veranstalterin von hoch exklusiven Underground-Pokerrunden durchzusetzen, bis ihre prominente Kundenkartei sowohl das Interesse der Russen-Mafia wie auch des FBI erregt. Nach einer filmreifen Festnahme durch eine ganze Kohorte schwer bewaffneter FBI-Agenten und einer Anklage wegen des Veranstaltens illegaler Glücksspiele wird ihr Vermögen beschlagnahmt. Auf Null zurückgeworfen, schreibt Molly Bloom im Jahr 2014 ihre Autobiographie, ohne allerdings ihre früheren Kunden bloßzustellen. Hollywood-Autor Aaron Sorkin („Eine Frage der Ehre“) liest das Buch, formt daraus ein Drehbuch und übernimmt bei der Verfilmung „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ erstmals auch selbst die Regie. Entstanden ist ein spannender Mix aus Hochglanz-Thriller und dem persönlichen Drama einer jungen Frau, die es ablehnt, die Namen ihrer Kunden preiszugeben – trotz des hohen Risikos und im Bewusstsein, im Ernstfall auf sich allein gestellt zu sein. Molly hält die Spielregeln ein, opfert ihre Existenz und riskiert jahrelanges Gefängnis. Aus Angst? Aus falsch verstandener Spielerehre? Oder ist es sportliche Fairness und das Wissen, das man nicht immer gewinnen kann, aber dann mit Anstand verlieren muss?
Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) spielt diese Molly Bloom mit kühler Eleganz und einer bestechenden Souveränität, als hätte sie selbst jahrelangen Sport-Drill mit Selbstqualen und Rückschlägen durchgestanden und dabei gelernt, keine Unsicherheit oder Schwäche zu zeigen. Im Film ist Mollys Antrieb, sich die Anerkennung ihres Vaters (gespielt von Kevin Costner) zu erkämpfen. „Molly’s Game“ erzählt aber viel mehr als ein Vater-Tochter-Drama. Er führt uns in eine Welt der Superreichen, in der die Grenze zwischen zynischem Spiel und wirklichem Leben längst abhanden gekommen ist. Ein Parallelkosmos der Mächtigen, in dem man die Alltags-Existenz weit hinter sich lässt und sehr viel – in einigen Fällen sogar alles – riskiert, um herauszufinden, wer man wirklich ist.
MOLLY’S GAME Trailer German Deutsch (2018) von Robert Hofmann
Bundesstart: Ab 8. März.
Michael Eckert
Fotos:
Foto: ©SquareOne Entertainment