Neu im Kino: „Wunder“ – ein filmisches Loblied auf die Kleinfamilie
Julia Roberts und Owen Wilson in ihrem ersten gemeinsamen Kinofilm
In ihrem ersten gemeinsamen Kinofilm spielen Julia Roberts und Owen Wilson ein Elternpaar, das seinen missgebildeten Sohn liebevoll aufwachsen lässt und behutsam auf die Außenwelt vorbereitet.
Vielleicht kommt dieses „Wunder“ ein paar Wochen zu spät. Der Film erzählt nämlich eine herzerwärmende Geschichte, die man eigentlich gern in der Weihnachtszeit hört und sieht: die Geschichte einer intakten Familie, die auch ihr vermeintlich schwächstes Mitglied liebevoll umsorgt und auffängt, wenn die Außenwelt bedrohlich und erbarmungslos erscheint. Der kleine Auggie (Jacob Tremblay) ist so ein schutzbedürftiges Familienmitglied. Der zehnjährige Junge leidet unter dem so genannten Treacher Collins Syndrom, hat ein missgebildetes Gesicht. Draußen auf der Straße würden ihm wohl Spott und Verachtung seiner Altersgenossen zu schaffen machen, aber innerhalb der Festung Familie zeigt er sich unbeschwert als lebhafter, intelligenter Junge, dem das Schicksal seiner Krankheit offenbar nichts ausmacht. Mutter Isabel (Julia Roberts) und Vater Nate (Owen Wilson) umsorgen Auggie liebevoll, lassen es ihm an nichts fehlen, und Isabel übernimmt seine schulische Ausbildung. Aber als es an der Zeit ist, den Jungen in die fünfte Klasse einer öffentlichen Schule zu schicken, müssen es die Eltern wagen, Auggie aus dem familiären Schutzraum zu entlassen und ihn mit der Reaktion der Mitmenschen auf sein absonderliches Aussehen zu konfrontieren. Und Auggie muss lernen, ohne den „Star Wars“-Fliegerhelm, unter dem er sich sonst gern mal versteckt, klar zu kommen. Natürlich braucht es eine Weile, bis die Mitschüler den neuen Klassenkameraden akzeptieren lernen. Es gibt die befürchteten Abweisungen und diverse Rückschläge. Und auch Auggies ältere Schwester Via (Izabela Vidovic) hat zu leiden. Sie ist es zwar gewohnt, ihre Belange hinter denen ihres kleinen Bruders zurückzustellen, aber jetzt gilt die Fürsorge der besorgten Eltern ausschließlich Auggie und seinen Problemen. Und nun wendet sich auch noch ihre Schulfreundin Miranda (Danielle Rose Russell) von ihr ab. Die war bislang ein häufiger Gast in der Familie und kennt auch Auggie gut, aber jetzt schämt sie sich plötzlich in Vias Gesellschaft, sucht sich einen „cooleren“ Freundeskreis. Doch trotz dieser Schwierigkeiten hat man als Zuschauer nie das Gefühl, dass dieses Experiment scheitern kann. Und am Ende – das verrät schon der optimistische Filmtitel – siegen Liebe und Verständnis über Skepsis und Abneigung.
Der Film entstand nach einem US-Bestseller der Autorin R.J. Palacio und preist die Geborgenheit einer intakten Familie – wie sie in dieser Weise wohl nur Hollywood inszenieren kann. Darüber hinaus wirbt „Wunder“ natürlich auch für das Akzeptieren des vermeintlich Fremden – schließlich ist ja auch nicht einzusehen, warum sich die kleinen „Star Wars“-Fans auf der Leinwand mit den die absonderlichsten Aliens und Robotern identifizieren, im wahren Leben aber jedes nichtvertraute Äußere ablehnen.
Regisseur Peter Bogdanovich erzählte 1985 in „Die Maske“ eine ähnliche Story. Allerdings fand dessen Held, der an Dysplasie leidende Junge Rocky, nicht in einer klassischen Familie Schutz und Geborgenheit, sondern in der wilden Rockergang seiner allein erziehenden Mutter (gespielt von der Sängerin Cher). Die jetzige Rückbesinnung auf das Ideal Kleinfamilie mag der heutigen Zeit geschuldet sein, die offenbar nach mehr Harmonie verlangt als das vor dreißig Jahren noch der Fall war. Aber wer sich jetzt einmal für knapp zwei Stunden in eine perfekte Familienwelt versetzen lassen möchte, mit einer bezaubernden Julia Roberts als Mutter und einem humorvoll-verständnisvollen Owen Wilson als Vater, ist in „Wunder“ wunderbar aufgehoben. Auch außerhalb der Weihnachtszeit.
WUNDER Trailer German Deutsch (2018)
Michael Eckert