Iveta Apkalna zieht alle Register
„Dieser Klang umarmt die Leute“, hatte die Titularorganistin Iveta Apkalna bereits nach den ersten Proben auf dem von dem Bonner Orgelbauer Philipp Klais gebauten Instrument gesagt. Mit einem furiosen Auftritt weihte die Lettin gestern die Orgel im großen der Elbphilharmonie ein. Auf dem Programm standen neben einem Werk von Bach vor allem Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert. Iveta Apkalna kam nach Standing Ovations des begeisterten Publikums zu mehreren Zugaben auf die Bühne zurück.
Schon der Anblick des des mit 4765 Pfeifen ausgestatteten Instruments, das perfekt in den Raum integriert wurde, ist beeindruckend. Mit Spannung wurde erwartet, wie der aus großen Räumen wie Kathedralen bekannte Klang sich in der relativ „trockenen“ Umgebung des gezielt akustisch bearbeiteten großen Saals der Elbphilharmonie auswirkt. Im Prinzip gab schon das speziell ausgewählte Programm eine Antwort auf die Frage.
Mit modernen Kompositionen, die stark klanglich geprägt sind, kommt die hohe Transparenz des Saals voll zur Geltung. Erstaunlich war aber die Dynamik auch in der Tiefe, die der Raum bietet. Während die hohen Frequenzen und leisen Töne sehr direkt ankommen, breiten sich Klänge mit größerem Volumen voll im Saal aus. So entsteht ein sehr plastischer Eindruck der Musik, der aber auch wohl beherrscht werden muss.
Das gelang Iveta Apkalna perfekt. Wie aus einem Guss beherrscht sie das gesamte Spektrum der instrumentalen und räumlichen Facetten und bringt sie mit einer atemberaubenden Leichtigkeit auf die Bühne. Damit und mit ihrer herzlichen Art ist sie in der Lage, auch Besucher mit weniger musikalischem Background in eine Welt zu nehmen, die sonst vielleicht eher Kennern vorbehalten wäre. Aber mit der klanglichen Vielfalt kam auch Bachs Toccata, Adagio und Fuge C-Dur voll zur Geltung.
Mit der Programmauswahl zeigte die Letiin aber auch die Tendenz für die Zukunft – „weg vom verstaubten Image“ hin zu einem Instrument, das die großen klanglichen und stilistischen Möglichkeiten ausschöpft. Als Titularorganistin ist die erste Preisträgerin des ECHO Klassik für dieses Instrument nimmt sie eine wesentliche Rolle für die Bespielung des Instruments in der Elbphilharmonie ein.
Anwesend waren auch Bürgermeister Olaf Scholz, der neuen Kultursenattor Carsten Brosda und Philipp Klais.
Das Programm des Abends:
Aivars Kalējs (*1951)
Toccata über den Choral »Allein Gott in der Höh’ sei Ehr«
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564 (1708–1717)
Sofia Gubaidulina (*1931)
Hell und Dunkel (1976)
Joseph Jongen (1873–1953)
Sonata eroïca op. 94 (1930)
Philip Glass (*1937)
Finale des 3. Aktes aus »Satyagraha«
Thierry Escaich (*1965)
Evocation II (1994–1995)
Titelfoto:© Caudia Hoehne