„Lost Summer“ beim abgedreht! Filmfestival

28. März 2022 19:57 Mario Kraft Aktuelles,Film,Veranstaltungen ,

Gábor in seinem Kurzfilm "Lost Summer"

Nachwuchsfilmfestival zeigt Kurzfilm von jungem Hamburger Künstler

Die Filmbranche ist ein hart umkämpftes Geschäft. Gerade junge Talente haben es in Deutschland oft schwer, Filme in die Kinos zu bringen. Zu steif ist das System der Produktions- und Filmförderungsanstalten.
Dass Filmemacher darauf nicht zwingend angewiesen sind, beweist Gábor Henry Raschberger (21), ein Künstler aus Hamburg, der seiner Kreativität in vielen Formen freien Lauf lässt. Sein kurzer Experimentalfilm „Lost Summer“ wird beim Hamburger Nachwuchsfilmfestival „abgedreht!“ in den Zeisehallen gezeigt und ist für die Preisverleihung nominiert.

Ich habe mich im Vorfeld mit Gábor getroffen, um mit ihm über seine Arbeit als Filmemacher und über seine facettenreiche Person zu sprechen.

Mario Kraft: Lieber Gábor, wie schön, dass wir uns treffen. Zunächst einmal Glückwunsch! Dein Film „Lost Summer“ ist ja nominiert für die Auszeichnung beim abgedreht!-Festival. Dabei erzählt er ja in eindringlichen Bildern (unter anderem) von vergeblicher Hoffnung. Wie geht es dir damit?

Gábor Henry Raschberger: Danke! Ich bin gerade wirklich total glücklich. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass sich Leute für meine Arbeit interessieren. Ich lebe mich schon lange kreativ aus und habe meine Werke sehr lange für mich zurückgehalten.

Du bist ja in vielen Bereichen unterwegs. Du zeichnest, malst, zauberst, drehst Filme und du betreibst einen erfolgreichen Kanal auf Instagram. Da scheint es einen großen künstlerischen Ausdrucksdrang in dir zu geben?

Ja, ich versuche viele meiner Erfahrungen in meiner Kunst zu verarbeiten. Das hat sich dann alles so ergeben und ich bin auch immer noch am Ausprobieren.

Und neben all dem bist du dann noch Vollzeit-Student?

So ist es, ich studiere Ethnologie an der Universität Hamburg. Bald beginnt mein zweites Semester.

Welch passende Studienwahl! Dein Interesse an Kulturen dieser Welt sowie die verscheiden Einflüsse sind unverkennbar in deiner Kunst verankert. Aber sie ist auch sehr persönlich. Was war deine Antriebsfeder für „Lost Summer“?

Tatsächlich sehr persönliche Motive, die auch mit sehr schwierigen Lebensumständen zusammenhingen. In den vergangenen Jahren hatte ich mit großen Ängsten zu kämpfen. Meine Kunst war ein essenzieller Teil von mir, den ich aber nicht so aktiv mit meinen Mitmenschen geteilt habe. Deshalb hatte ich das Gefühl, dass diese mich nur teilweise kennen.
Ich habe quasi auf das Leben und auf meine Entdeckung gewartet, tat aber gar nichts dafür. Ich wartete darauf, dass die Welt zu mir kommt. Diese Gefühlslage aus Erwarten und Abwarten entwickelte sich für mich zu einem Gefängnis. Und ich musste Dieses Gefühl filmisch verarbeiten, um mich davon zu befreien.

Dass dieser Film nun von anderen gesehen, wertgeschätzt und eventuell mit Preisen ausgezeichnet wird, scheint ja zu bedeuten, dass sich dein Abwarten ausgezahlt hat.

Es scheint so und ich kann es noch gar nicht so richtig glauben. Es bedeutet mir auf jeden Fall sehr viel!

Handwerklich ist der Film ja sehr hin und her gerissen zwischen einer sehr intimen Machart und einer künstlerisch-theatralischen Inszenierung. In den knapp zweieinhalb Minuten gibt es keinen Text, dafür aber viele Geräusche, die oft im Gegensatz zum Bild stehen.

Diese Geräusche sind bei mir in privater Umgebung aufgenommen worden. Mit allen verbinde ich etwas ganz Persönliches. Der Widerspruch zwischen Ton und Bild soll von dem Gegensatz zwischen meinen Erwartungshaltungen und den tatsächlichen Begebenheiten erzählen.
Und der Film ist komplett aus einer Hand, selber produziert, jede Einstellung habe ich selber überlegt, gedreht und geschnitten. Dabei war zu Beginn meiner Arbeit schon ein recht klares Bild in meinem Kopf vorhanden.

Hast du viel Filmmaterial verworfen?

Gar nicht mal so viel. Mir war klar, was ich erzählen wollte und ich wollte es so knapp und reduziert wie möglich erreichen. Jede Einstellung, die noch übrig ist, ist notwendig, um meine Intention auszudrücken.

Das ist dir gelungen – die zwei Minuten und zwanzig Sekunden sind dicht gepackt mit einem eindringlichen Blick auf deine Gefühlswelt. Das ist auch schmerzlich zu sehen, erfreut aber mein filmisches Herz. Und als die Dusche anging, lief mir ein richtiger Schauer über den Rücken!

Danke, das freut mich wirklich sehr! Das ist eine Schlüsselszene für mich. Ich habe immer noch nicht so ganz begriffen, dass mein Film jetzt von so vielen verschiedenen Menschen gesehen wird.

Und abseits vom Film? Was steht bei dir noch so an?

Einiges. Ich arbeite gerade an meinem zweiten Kurzfilm. Eine Dracula-Geschichte als Zeichentrick, gemalt am Computer.
Und durch mein Studium habe ich eine Professorin kennengelernt, die an einem Kinderlexikon für das nigerianische Schulsystem arbeitet. Sie hat mich gefragt, ob ich das Buch illustrieren möchte. Da habe ich natürlich direkt ja gesagt!

Wie toll, nochmals Glückwunsch! Das sind ja gleich die nächsten spannenden Projekte!

Und eine riesen Ehre für mich!

Wie kam es dazu? Womit illustrierst du das Buch?

Ich hatte der Professorin meine Sachen gezeigt und wir haben uns über unsere Arbeit unterhalten. Wir verstehen uns gut und ihr haben meine Werke gefallen. Als sie mich gefragt hat, bat sie mich um ein paar Probeillustrationen von afrikanischen Landschaften. Der Stil gefiel ihr und sie gab mir den Auftrag.
Im Moment zeichne ich vor allem Tiere, genau genommen Tiere on A bis Z, für das Lexikon. Ich zeichne sie per Hand vor, scanne die Zeichnung ein und koloriere dann die Zeichnungen in einem Grafikprogramm. Dabei versuche ich mich an einer Mischung aus naturalistischer und kindlich-comichafter Darstellung.

Welche Tiere hast du bisher gezeichnet?

Ach, von Gorillas über Elefanten bis hin zu Fledermäusen ist einiges dabei. Es macht auf jeden Fall großen Spaß und nimmt viel Zeit in Anspruch!

Kaum zu glauben, dass du neben all dem auch noch studierst.

Ja (lacht). Gerade war ja vorlesungsfreie Zeit, aber ich musste einige Hausarbeiten schreiben. Die letzte habe ich gerade abgegeben. Bis jetzt läuft es echt gut und inspiriert mich immer neu.

Lass uns noch über deine Malerei sprechen. Du hast dir ein besonderes Medium für deine Bilder ausgesucht, die du auch immer mal in Instagram-Stories postest – das Zeichenprogramm „Paint“. Wie bist du dazu gekommen?

Ach, ich wollte mich einfach mal ausprobieren und habe früher immer schon mit Paint gemalt. Ich merkte einfach, dass mir diese grobe und flächige Optik gefällt. Ich zeichne sogar die Bilder für meinen Dracula-Film in Paint.

Das Programm ist auf jeden Fall gut geeignet, um mit recht wenig Farben kontrastreiche Bilder zu malen. Auch hier hast du eine große Bandbreite an Motiven. Einige sind recht düster und morbide, andere sind grafisch poppig und in Kombination mit Text – quasi selbstgemachte Memes.

Auch meine Malerei ist Ventil für die Verarbeitung meiner Gefühle. Es hilft mir, meine Gedanken zu verschiedenen Themen wie Tod, Leben, Liebe und Kultur zu verdeutlichen.

Was bedeutet Liebe für dich?

Oh, jetzt wird es ernst (lacht). Liebe bedeutet für mich, einander zu spüren und Gefühle miteinander zu teilen – auch schmerzliche.

Fällt dir das manchmal schwer? Wie ist dein Verhältnis zur Liebe?

Ich bin insgesamt schon ein eher scheuer Mensch. Es dauert immer etwas, bis ich mich öffne. Komischerweise habe ich eine besondere Art von Liebe über meinen Sport erfahren. Ich war viele Jahre versiert im Kickboxen. Dort kloppt man sich mit seinem Gegner, teilweise geht es sogar blutig zu und nur das Adrenalin macht den Schmerz erträglich. Aber nach dem Kampf umarmt man sich und geht in Frieden auseinander. Der Umgang unter Kickboxern ist meist sehr von gegenseitigem Respekt geprägt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass so eine extreme Auslastung und Konfrontation im Ergebnis verbindet. Zumindest, solange es klare Regeln und einen sportlich-fairen Umgang gibt. Hast du Kickboxen professionell verfolgt?

Ich bin irgendwann abgesprungen, als auf dem Weg war, sich professionell zu vertiefen. Es war nicht so, dass es mir keinen Spaß gemacht hat. Ich habe sogar Training gegeben. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt das Gefühl, dass ich mich entscheiden muss. Ich entschloss, mich ganz meiner künstlerischen Neigung zu widmen und zog mich eine Weile darin zurück.
Sport mache ich aber immer noch. Auch das ist für mich eine Ausdrucksform.

Zurück zu deinem Film und dem abgedreht!-Festival. Wie ist da nun genau der Ablauf?

Der Film wird am Mittwoch, den 30. März im Programm gezeigt, interessanterweise im kinderfreundlichen Teil. Das gab mir ein bisschen zu denken (lacht).
Und am Donnerstag, den 31. März findet ab 20 Uhr die Preisverleihung in den Zeisehallen statt. Mal sehen was da noch kommt.

Ich drücke dir für die Preisverleihung auf jeden Fall beide Daumen und wünsche dir für dein weiteres Schaffen alles Gute!

Vielen Dank, ich bin gespannt!

Interview: Mario Kraft

Info

Der Eintritt zur Preisverleihung ist frei und alle ausgezeichneten Filme werden nochmal gezeigt. Es werden vier Nachwuchsfilmpreise und ein Publikumspreis verliehen.


Gábor Henry Raschberger (21) ist in Hamburg geboren und lebt in Itzehoe. Er betreibt auch den sehenswerten Instagram-Kanal @henry.gabor, wo er sich als der freundliche, extravagante Dandy präsentiert, der er in der Tat ist. Mit einem guten Gespür für ausdrucksstarke Outfits und lässigen Posen hebt Gábor sich von anderen Insta-Dandys ab.

Urheberrechtshinweis: Das Beitragsfoto wurde uns von Gábor zur Verfügung gestellt

Related Images: