New Hamburg Festival auf der Veddel
SoliPolis – Für eine solidarische Stadt
Sie lieben Festivals? Sie sind auf der Suche nach Spaß und fantastischer Stimmung? Sie interessieren sich für vielfältige Kultur? Sie wollen dem Traumsommer 2018 einen würdigen Abschied bereiten? Dann ist der folgende Tipp genau das Richtige für Sie! Das New Hamburg Festival auf der Veddel.
Derzeit (15.09. – 30.09.2018) verschönert uns das New Hamburg Festival auf der Veddel im Hamburger Süden den Übergang in die kalte Jahreszeit. Mit multikultureller Live-Musik, vielseitigen Theaterprojekten, gesellschaftlichen und sozial-politischen Diskussionsforen, reichhaltigem kulinarischen Angebot und diversen kleineren Attraktionen wird hier ein breites Spektrum an Lebensqualität geboten. Alle Einnahmen des Festivals auf Spendenbasis fließen in soziale Projekte auf der Veddel.
An den mehrwöchigen Feierlichkeiten beteiligen sich viele veddeler Einrichtungen und Institutionen. Zentrum des Festivals ist ein Abschnitt der Wilhelmsburger Straße direkt vor der Immanuelkirche mit dem dazugehörenden Café Nova. Hier finden Diskussionen und musikalische Darbietungen statt. Auch den knurrenden Magen kann man hier stillen. Zudem wird in der Kirche auch Theater gespielt. Infos zu allen weiteren Schauplätzen finden Sie auf der Internetseite des Festivals.
Zonck Honkytonk! – Der wilde Westen in einer Bar
Letzteres fand bis zum vergangenen Wochenende auch in der herrlich urigen Eckkneipe „Café Zonck“ statt. In insgesamt vier Aufführungen zwischen dem 16.09. und dem 22.09. wurde das Theaterstück „Zonck“ (geschrieben von Paulina Neukampf und Ensemble) unter der Regie von Paulina Neukampf aufgeführt. Neukampf hatte letztes Jahr bereits Iphigenie für das Festival inszeniert.
Im Zonck spielte nun ein Mix aus professionellen Schauspielern (u.a. vom Deutschen Schauspielhaus) sowie Laiendarstellern von der Veddel. Das Stück fand auf mehreren Ebenen statt. Zum einen diente die gesamte Bar als Spielfläche für die insgesamt acht Schauspieler. Zudem wurde per Live-Übertragung das Geschehen von einem der Darsteller gefilmt und auf eine Leinwand projiziert. Mit diesem interessanten Kniff konnten für das Publikum Bereiche des Raumes erschlossen werden, die schlecht einsehbar waren. Außerdem ergab sich daraus parallel zum Theaterspiel eine zweite filmische Perspektive, direkt aus der Gruppe heraus. Mit musikalischen und tänzerischen Einlagen hatte das Stück sogar Revue-Charakter. Diese Kombination funktionierte wunderbar. Das Ensemble ließ in der Raucherkneipe – Zutritt erst ab 18 Jahren – den wilden Westen auferstehen.
Inhaltsangabe: Zonck
Thema des ganzen Stückes: Die eingeschworene Zonck-Gemeinde feiert eine Mottoparty in Cowboy-Kluft zum 100-jährigen Bestehen der Bar. Dass es die Bar eventuell erst seit 10, 27 oder 35 Jahren geben könnte, tut Nichts zur Sache. Es geht nicht um Zahlen, sondern ums Feiern und darum, Geschlossenheit zu demonstrieren. Hier ist man gemeinsam einsam und blickt skeptisch auf das Arbeits-und-Besitz-Gefängnis außerhalb der Zonck-Mauern. Die Zoncker – wie sich die Mitglieder der Truppe nennen – sind aus verschiedensten Gründen Aussteiger aus einer Gesellschaft, in der sie sich nicht akzeptiert fühlen.
Oberhaupt der Gemeinschaft ist ZONCK (Michael Weber). RABEA (Rabea Lübbe) ist die starke Frau an seiner Seite. Zusammen haben sie der Legende nach die Bar gegründet. Nach und nach fanden sich Gleichgesinnte im Zonck ein, darunter SHERIFF (Karsten Löffler), Kameramann DAS AUGE (Jürgen Schnetz), Pianist TICKI BOMB (Alexander Schöppl), Jungspund JIMMY (Benjamin Nazemi) sowie die rebellische Prostituierten-Tochter JENNY (Josefine Israel) ein.
Sie geben sich gegenseitig halt und lassen sich von niemandem etwas verbieten – so die Theorie. Doch mitten in die Feierlichkeiten platzt ein fremder Cowboy in Schwarz (Jonas Hien). Der Eindringling wird natürlich skeptisch beäugt, scheint aber erstmal ganz gut in die Gruppe zu passen. Doch bald sät er Zwietracht unter den Zonckern. Ob er dies beabsichtigt? Undurchschaubar – er will ja eigentlich nur einen Tee trinken. Und dass er die Kneipen-Herrin Rabea zum hitzigen Tango auffordert, scheint für ihn gar nicht provokant zu sein.
Die zerstreuenden Impulse, die der Neue abgibt, lösen final einen Orkan in der Kneipe aus – eine Metapher für die Spaltung und Verwüstung vertrauter Zonck-Strukturen. Und obwohl der Problem-Gast dann auch schnell wieder verschwindet, ist die Gruppe danach nicht mehr dieselbe. Jenny, von den Zonckern mit Liebe adoptiert und aufgezogen, hat die Schnauze voll vom Kneipen-Trott und brennt mit dem Neuen durch.
Rasantes Theatervergnügen mit großem Publikumsansturm
Das Theaterstück war in jeder Hinsicht ein voller Erfolg. Die hohe Schauspiel-Qualität (von Profis und Laiendarstellern gleichermaßen) und der skurrile Spaßfaktor des Stückes sprachen sich gut rum. Jede der vier Vorstellungen war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Zuschauer ergötzten sich an der Gesellschaftskomödie mit dramatischem Ende und gingen voll mit – emotionale Zwischenrufe waren ausdrücklich erlaubt. So ergab sich ein lebendiges Zusammenspiel zwischen Publikum und Darsteller-Ensemble, was den Eindruck einer feiernden Kneipengemeinschaft noch verstärkte. Die Kameraführung von Jürgen Schnetzler in seiner Rolle als Das Auge war stets geprägt von dynamischen Perspektiven und fotogenen Standbildern, wodurch die Leinwand eine tolle Bereicherung für das Stück darstellte. Die flotte musikalische Begleitung bestehend aus Banjo und Klavier war virtuos. Ein schmissiger Ohrwurm ist dem Banjospieler und Schauspielhaus-Darsteller Michael Weber mit der Bar-Hymne „Zonck Honkytonk“ gelungen.
Nicht zu vergessen ist das Café Zonck selber. Die kleine Eckbar mit dem urigen Innenraum – für das Theaterstück liebevoll ausgestattet von Bühnenbildnerin Julia Berndt und ihrem Team – war stille Hauptdarstellerin im Stück und passte ideal zu dem Western-Thema.
Alles in allem hat die Regisseurin Paulina Neukampf mit ihrer Truppe dem Café Zonck eine rührende und würdige Hommage beschert, an der die Zuschauer – ob routinierter Theatergänger oder Zonck-Stammgast – und alle Beteiligten der Produktion ihren Spaß hatten. Dies weiß auch der Kneipenbetreiber Erkan Sahin zu schätzen, der seine Bar parallel zum laufenden Betrieb für die Theaterproduktion zur Verfügung stellte.
Zwar wird es keine weitere Zonck-Aufführung mehr geben – es bleibt die Erinnerung an ein tolles Theaterprojekt – jedoch finden noch bis zum 30. September viele weitere sehenswerte
Programmpunkte im Rahmen des New Hamburg Festivals statt. Das sollten Sie nicht verpassen!
Anfahrsbeschreibung
Sie erreichen das Festival-Gelände am besten mit den S-Bahnlinien S3 und S31. Mit dem Nachtbus 640 kommen Sie auch unter der Woche zur späteren Stunde auf die Veddel oder nach Hause. Am Bahnhof „Veddel (BallinStadt)“ nehmen Sie den Ausgang Wilhelmsburger Platz und gehen in Richtung Wilhelmsburger Straße. Von hier an weisen zahlreiche Hinweisschilder und Infotafeln zu den Veranstaltungsorten.
Fotos aus dem Zonck: ©Christian Bartsch