Georgier schreibt Tennisgeschichte am Rothenbaum
Nikoloz Basilashvili gewinnt die German Tennis Championships
Das Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum ist seit jeher ein Pflaster für Underdogs und Überraschungssieger. Doch mit Nikoloz Basilashvili hätte im Vornerein wohl niemand als Titelanwärter gerechnet. Der 26-jährige Tennisprofi aus Georgien startete als Qualifikant in die heißeste und sonnigste Turnierwoche seit Ewigkeiten.
Auch das Wetter spielte mit – Hitzewelle in Hamburg
Ja, es war wirklich verdammt heiß in diesem Jahr bei den German Tennis Championships. Konstant zeigte das Thermometer über 30 °C an. Nur einmal regnete es während des Turnierverlaufes am Samstag. Schatten spendende Wolken waren ein rares Gut. Zuweilen rätselte man, wer die größere Anstrengung durch zu leiden habe – die Akteure auf dem roten Sandplatz oder doch das Publikum drum herum. Letzteres saß im härtesten Fall von morgens bis zum späten Nachmittag in der prallen Sonne. Nachweislich den heißesten Platz nahmen wohl die Stuhlschiedsrichter auf dem Center Court ein. Hier wurden Spitzentemperaturen von 49 °C gemessen. Wahnsinn!
Auch der Finalsonntag bot herrlichstes Wetter. Und wie immer fand vor dem Einzelfinale noch das Endspiel der Doppelkonkurrenz statt. Natürlich hatten die meisten Zuschauer sich eine Beteiligung des deutsch-japanischen Teams bestehend aus Jan-Lennart Struff und Ben McLachlan gewünscht. Diese waren jedoch in der Vorschlussrunde am Samstag gegen Julio Peralta (CHI) und Horacio Zeballos (ARG) ausgeschieden. Deren Gegner im Finale waren nun der Österreicher Oliver Marach und sein Mitspieler Mate Pavic – derzeit eines der stärksten Doppel im Tenniszirkus.
Hohe Qualität beim Doppelfinale
Dementsprechend hoch war das Spielniveau. Zwar verloren Marach/Pavic den ersten Satz noch klar mit 1:6, konnten jedoch den zweiten Satz mit 6:4 für sich entscheiden. Dabei wurden die Zuschauer Zeugen von unglaublichen Reflexleistungen und präzisen Volleyduellen. Die Reaktionsschnelligkeit und das hohe Spieltempo beim Doppel sind immer wieder faszinierend und das weiß auch das Hamburger Tennispublikum zu schätzen. Das Stadion war auch in diesem Jahr sehr gut gefüllt, was bei Doppeln selbst im Finale nicht die Regel ist.
Der dritte Satz wurde wie beim Doppel üblich als Match Tie Break ausgespielt. Es wurden also Punkte bis 10 gezählt. In diesen Tie Break kam das südamerikanische Duo Peralte/Zeballos wesentlich besser rein und entschied somit das Doppel-Finale für sich. Endstand 1:6 – 6:4 – 6:10!
Nach der Siegerehrung und einer kurzen Pause begann dann planmäßig um 15:00 Uhr das Endspiel der Einzelkonkurrenz. Mit dem argentinischen Hamburg-Spezialisten Leonardo Mayer hätte man noch rechnen können. Schließlich ging er als Titelverteidiger an den Start, hatte seine Frau und den kleinen Sohn als Glücksbringer dabei und läuft in unserer schönen Stadt immer zur Höchstform auf. In Hamburg konnte er seine zwei bisher einzigen Titelerfolge feiern (2014, 2017). Auch in der vergangenen Turnierwoche ließ er keinen Zweifel an seiner Siegeslust. Also alle Zeichen auf Sieg des Argentiniers?
Überraschungskandidat aus Georgien
Moment, da war ja noch wer. Ja wer eigentlich? Dieser Name war den meisten vorher unbekannt und auch nicht direkt einfach auszusprechen. Nikoloz Basilashvili. Der Georgier hatte jedoch direkt am Qualifikationswochenende auf sich aufmerksam gemacht. Dort setzte er sich auch gegen den Hamburger Tobias Kamke durch. Im Turnierverlauf ließ er Philipp Kohlschreiber (GER), Pablo Cuevas (URU), Pablo Carreno Busta (ESP) und sogar den Thiem-Bezwinger Nicolas Jarry (CHI) hinter sich. Dies tat er auf einem beeindruckenden Leistungsniveau. Sein druckvolles Spiel war präzise und trieb die Gegner zur Verzweiflung. Doch auch plötzliche Leistungseinbrüche fanden sich immer wieder im Spiel Basilashvilis. Am dramatischsten war dies zum Schluss. Im Halbfinale gegen Jarry verlor Basilashvili den zweiten Satz glatt mit 0:6, kämpfte sich dann im dritten aber zurück und sicherte sich mit einem 6:1 im dritten Satz den Finaleinzug. Das war besonders. Und den Zuschauern gefiel es.
Nun im Finale herrschte nahezu Chancengleichheit. Einige wollten Mayer im Vorteil sehen. Schließlich wisse der ja genau, wie sich so ein Finale auf Hamburger Sand anfühlt. Doch Basilashvili schaffte ein frühes Break, welches er sicher bis zum Ende des ersten Satzes durchspielte. So stand es 6:4 für Nikoloz „Willy“. Was dann folgte, ist für die Geschichtsbücher. Wieder gab Basilashvili den zweiten Satz 0:6 an Mayer ab, der konstant eine gute Leistung zeigte. Der Georgier wirkte völlig kraftlos. Also musste auch das Finale über drei Sätze entschieden werden – gut für das Publikum. Alle hatten Lust auf Tennis. Die Stimmung war hervorragend.
Basilashvili widerholt seine Leistung aus dem Halbfinale
Im dritten Satz war Basilashvili wieder erstarkt, duellierte sich auf Augenhöhe mit dem Titelverteidiger und beide zeigten hochklassiges und variables Tennis. Erst zum späten Zeitpunkt beim Spielstand von 5:5 konnte Basilashvili Mayer erneut breaken und somit zum Turniergewinn aufschlagen. Nach zwei Stunden und zwölf Minuten verwandelte der Nikoloz Basilashvili seinen ersten Matchball und gewann damit als erster Georgier überhaupt ein ATP Turnier. Was für eine tolle Geschichte!
Die Siegerehrung im Anschluss war geprägt von Fairness und Emotionalität. Nachdem Leonardo Mayer den Georgier zur Gratulation mit Champagner geduscht hatte und Basilashvili mit einer berührenden Rede die Hamburger Zuschauer für sich gewann, war der Zeitpunkt für Michael Stich gekommen, seine letzte Rede in seiner Funktion als Turnierdirektor zu halten. „Jungs, ihr habt ein großartiges Match geliefert. Bitte kommt zurück nach Hamburg“, richtete er zunächst an die Finalisten. Danach wandte er sich seinem Team und dem Publikum zu. Als er sich für die tolle Unterstützung in den letzten zehn Jahren bedankte, kämpfte er mehrmals mit den Tränen. Er genehmigte sich enen kräftigen Schluck aus der offenen Champagner-Pulle von Leonardo Mayer, um seine Zunge etwas zu lockern. Getragen vom Jubel der Stadiongäste konnte Stich jedoch auch noch seine letzte Aufgabe am Rothenbaum meistern. Er wünschte seinem Nachfolger viel Glück beim Überspringen der Messlatte – diese liege sehr hoch. Das stimmt allerdings!
Somit ging eine fantastische Turnierwoche mit hochklassigen Tennis, Zuschauerrekorden und Traumwetter zu Ende. Wir dürfen nun alle nur das Beste für die Zukunft dieses traditionsreichen Turniers hoffen. Die Zukunft ist nach wie vor ungewiss.