Erschütternde Berichte von Zeitzeugen zum Thema Doping

24. März 2017 10:24 contrast media Aktuelles,Sport,Veranstaltungen , , ,

Prof. Dr. Michael Barsuhn und Claudia Lepping

„Die sollen nicht singen, die sollen schwimmen“, wurden die Bedenken, dass die in den 1970er Jahren offensichtlich mit vermännlichenden Substanzen behandelten Schwimmerinnen in der ehemaligen DDR so tiefe Stimmen hatten, von einem Funktionär in den Wind geschlagen. Das Aufdecken eines staatlich organisierten Betrugssystems im russischen Sport vor den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro hat gezeigt, dass flächendeckend arrangierte Dopingpraktiken nicht der Vergangenheit angehören. Aber auch in Deutschland wird gedopt. Im Rahmen einer Studie der Landeszentrale für politische Bildung schilderten gestern Zeitzeugen ihre erschütternden Erfahrungen mit dem Thema in Ost und West und nahmen Stellung zu der heutigen Praxis.

Uwe Trömer und Prof. Dr. Michael Barsuhn

Uwe Trömer und Prof. Dr. Michael Barsuhn

Mit dem Radrennfahrer Uwe Trömer war ein anerkanntes Dopingopfer und mit der Sprinterin Claudia Lepping eine Doping-Verweigerin eingeladen. Beide waren vor der Wende aktiv im Leistungssport. Trömer bekam zu DDR-Zeiten bereits als Jugendlicher leistungssteigernde Mitte als „Fliegerschokolade“ oder „Vitamine“ verabreicht. Im Zuge dieser Maßnahmen hatte er mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen – Wassereinlagerungen an diversen Regionen des Körpers. Einmal fiel er nach fünf Kilometern einfach vom Fahrrad. Eine Weigerung, die Mittel zu nehmen, hätte das Ende der Förderung für den Leistungssport bedeutet.

Sprinterin Claudia Lepping

Sprinterin Claudia Lepping

Auch in der damaligen Bundesrepublik wurde gedopt. Hier wurden die Prozesse allerdings nicht von den Verbänden aus koordiniert. Jeder Trainer hatte sein eigenes Programm und testete die Auswirkungen im Training. Im Jahr 1987 sorgte der Tod von Birgit Dressel für Aufsehen, der nach einem Multiorganversagen als Folge eines toxisch-allergischen Schocks eintrat. In ihrem Körper wurden rund 200 verschiedene Medikamente gefunden. 

Claudia Lepping, in den 1980er Jahren beim SC Eintracht Hamm unter Vertrag, weigerte sich, die von ihren Trainern verabreichten vermännlichenden Steroide einzunehmen. Ihre Trainer waren der damalige Bundestrainer Jochen Spilker und Hans-Jörg Kinzel. Beide wurden im Jahr 1994 „wegen Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln entgegen § 21 des Arzneimittelgesetzes ohne Zulassung“ verurteilt.

Heute betreibt sie im Internet eine Anti-Doping Plattform www.dopingalarm.de, die jungen Athleten die Gefahren des Dopings aufzeigt und ihnen einen Weg biten soll, sich rechtzeitig Hilfe zu holen, wenn sie mit Doping-Praktiken konfrontiert werden. Eindringlicher Appell lässt auch Zweifel an echten Bemühungen seitens der verantwortlichen Organisationen aufkommen, Spitzensport ohne leistungssteigernde Mittel zu betreiben. Doping funktioniere nur in einem Umfeld, in dem diese Praktiken auch gedeckt werden.

Prof. Dr. Michael Krüger

Prof. Dr. Michael Krüger

(Münster) hob die Wichtigkeit einer klaren Definition des Dopings hervor und beschrieb in einem Vortrag den geschichtlichen Weg vom ethisch-normativen zu einem enumerativen Doping, bei dem alle Einzelheiten – von einer Liste verbotener Mittel über die Möglichkeiten von Tests bis hin zur Definition der handelnden Personen – klar festgelegt sind. Die Problematik an diesen Methoden besteht darin, dass damit nur Praktiken erfasst sind, die bereits bekannt sind.

Umso mehr appellierte Claudia Lepping an das Bewusstsein der jungen Sportler, bereits in den Anfängen sich gegen solche Praktiken zu wehren. Die würden sogar teilweise von den Eltern gestützt. Es sei nicht so schwierig, über das Internet an diese Medikamente heranzukommen. 

Die Landeszentrale für Politische Bildung wird sich in weiteren Terminen mit der Frage beschäftigen: Was haben wir aus der Vergangenheit gelernt. Die Diskussion moderierte Prof. Dr. Michael Barsuhn vom Zentrum deutsche Sportgeschichte.

Veranstaltungs-Flyer

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